Beratungsgespräch zwischen einem Kunden und einem Verkäufer im lokalen Einzelhandel

Die Kundenberatung macht den Unterschied

„Der große Vorteil eines Einkaufs im lokalen Einzelhandel gegenüber dem Onlinehandel ist die Beratung“. „Online-Händler haben zwar ihre Vorteile, aber was sie nicht können ist eine gute Kundenberatung“. „In diesem Feld liegt der lokale Einzelhandel vorne“. So sagen es die lokalen Einzelhändler gerne und häufig.

Aber ist das so und haben die Händler Recht?

Das EHI Retail Institute untersuchte 2017 die Top-Shopping-Killer im Einzelhandel. Mangelnde Beratung wurde hier am häufigsten genannt, bereitete aber nicht den höchsten Kundenschmerz. Dieses Label verdient sich die Auffindbarkeit von Verkäufern im Ladengeschäft. Ein weiterer „Schmerzpunkt“ sind unfreundliche, nicht motivierte Mitarbeiter und dann eben auch der Punkt Schlechte Beratung und Fehlberatung. Auf nachfolgenden Plätzen folgen dann „Penetrante Verkäufer“, „Fehlende Beratung“, „Verkaufspersonal zu stark am Umsatz orientiert“ bis hin zur „Unabhängigkeit der Beratung“.

Die folgende Tabelle zeigt die Top-18-Shoppingkiller im Einzelhandel gemäß der Studie des EHI. Die Prozentzahlen beziehen sich auf den Anteil der Befragten, die den jeweiligen Schmerzpunkt als „Sehr hoch“ und „hoch“ eingestuft haben.

Tabelle mit der Auflistung der Top 18 Shoppingkiller einer Studie des EHI

In eine ähnliche Richtung zeigen die Ergebnisse einer Studie von Porsche Consulting zur Beratungsqualität im Einzelhandel aus dem Jahr 2013. Hier haben nur eine Minderheit von 8% der Befragten angegeben, sich immer gut beraten zu fühlen, wenn beim Einkauf die Unterstützung des Verkaufspersonals benötigt wird. 29% fühlen sich häufig gut betreut. Für die Mehrheit dagegen (59%) lässt die Beratungsqualität Wünsche offen: 32% fühlen sich nur manchmal (32%) oder sogar selten bzw. nie (27%) gut beraten.

Eine Umfrage von Manhattan Associates unter 2.000 deutschen Verbrauchern ergab, dass 81 Prozent der Verbraucher das Gefühl haben, mehr über das gewünschte Produkt zu wissen als der Verkäufer. Im Vorjahr lag der Wert noch bei 78 Prozent.

Die Studien zeigen, dass es mit der Beratungsqualität im Einzelhandel nicht so wirklich weit her ist. Der lokale Einzelhandel nimmt sich positiver wahr, als seine Kunden das tun.

Will der Kunde überhaupt beraten werden?

Spielt denn persönliche Beratung heute überhaupt noch eine Rolle? Immerhin kann man ja zu den allermeisten Produkten Bewertungen und Beschreibungen im Internet finden. Ja, der Kunde will beraten werden und ja, der menschliche Touch ist für ein positives Kundenerlebnis entscheident! Diesen Fragen ging die PwC-Studie „Experience is everything: Here‘s how to get it right“ von 2017 auf den Grund.

Der Studie nach ist die menschliche Interaktion ein entscheidender Faktor für ein positives Kundenerlebnis. 84% der befragten Deutschen gaben an, dass für sie die menschliche Interaktion beim Einkauf wichtig ist – gerade auch je mehr sich die Technologie weiterentwickelt. Gleichzeitig sagen aber auch hier 46% der Befragten, dass die Mitarbeiter, mit denen sie interagieren, ihre Bedürfnisse nicht wirklich verstehen.

Und das hat durchaus auch seine Konsequenzen:

  • 73% gaben an, dass ihre Kundenerfahrung mit kaufentscheident ist
  • 43% der Konsumenten würden für einen größere Nutzen mehr bezahlen
  • 42% würde mehr bezahlen für eine freundliche und einladende Kundenerfahrung
  • 32% würden nach einer einzigen schlechten Erfahrung bereits den Anbieter wechseln

Kunden wollen also gerne beraten werden und sich dafür sogar bereit, höhere Preise in Kauf zu nehmen.

Allerdings muss auch die Qualität der Beratung stimmen, was heutzutage nicht mehr so einfach ist. Viele Kunden kommen schon gut informiert in das Geschäft. Die „Excellenz“ der Beratung entscheidet sich in solchen Fällen oft daran, ob der Berater die „letzten offenen Fragen“ beantworten kann oder ob der Kunde nicht schon mehr weiß als der Verkäufer. Wenn das der Fall ist, stellt sich die Frage nach der Berechtigung der Beratung im Laden.

Wir beraten aufwändig und der Kunde kauft dann doch online!

Das mag in Einzelfällen stimmen, ansonsten scheint es eher ein Thema in der Diskussion bei Einzelhändlern zu sein, als dass es sich an der Kasse widerspiegelt. Um festzustellen, ob es den „Beratungsklau“ bzw. das „Showrooming“ gibt und in welchem Ausmaß, lohnt auch hier wieder der differenzierte Blick. So hat die Think:Act-Studie von Roland Berger aus dem Jahr 2013 festgestellt:

  • Kunden, die sich im Laden beraten lassen und dann online kaufen, bringen dem Onlinehandel einen Umsatz von 6 Milliarden Euro!
  • Kunden, die nach einem Produkt- und Preisvergleich im Internet dann doch im Laden kauften, bringen dem lokalen Einzelhandel einen Umsatz von 68 Milliarden Euro.
  • Rund 20% der Online-Käufe werden offline vorbereitet!
  • Rund 17% der Offline-Käufe werden online vorbereitet!

Es wird also insgesamt wesentlich mehr Umsatz von online nach offline gespült als umgekehrt. Mit dem einseitigen „Beratungsklau“ bzw. dem „Showrooming“ ist es also nicht so wirklich weit her oder sogar umgekehrt als viele denken.

Der Beratungsklau ist je nach Produktkategorie unterschiedlich ausgeprägt. So stellt die Studie für die beiden für den Onlinehandel umsatzstärksten Produktkategorien Unterhaltungselektronik und Mode für das Informationsverhalten fest:

Unterhaltungselektronik:
Mehr als vier von fünf Onlinekäufern informierten sich vorab auch online über das Produkt, aber nicht mal jeder Dritte offline. Dagegen informierten sich fast die Hälfte der Offlinekäufer vorher im Netz.

Mode:
Der Anteil der Onlinekäufe ohne jegliche Vorinformation ist mit 55% überdurchschnittlich hoch. Die übrigen informierten sich online, knapp 20% auch offline. 9 von 10 Offline-Käufer verzichteten komplett auf Informationen aus dem Netz.

Die Studie hat weiterhin eindeutig nachgewiesen, dass sich Kunden von stationären Handel sowohl den physischen Kontakt als auch Serviceleistungen und Beratung wünschen. Für den lokalen Einzelhandel liegen hier also relevante Ansatzpunkte.

Es lohnt also, genauer hinzuschauen und bezogen auf die eigene Situation, die eigenen Produktkategorien seine Schlüsse zu ziehen.

Beratung nur noch gegen Geld?

In der Fachpresse, aber auch in den großen Medien wird immer wieder mal aufgeworfen, ob sich die Händler ihre Beratung nicht vielleicht bezahlen lassen sollten. Dazu werden dann Beispiele kolportiert, die sich dann mal mehr oder weniger überzeugend anhören. Angesichts der Zahlen zum Beratungsklau ist dies wenn überhaupt eher ein Thema für einzelne Händler. Vorstellbar ist, dass vielleicht einzelne Produktkategorien, die beratungsintensiv sind und die man nur selten im Leben benötigt betroffen sind. So sind dann auch die Beispiele in der Presse meist Fotogeschäfte oder Brautmoden.

Das Risiko einer Beratungsgebühr ist sicherlich, dass es potenzielle Kunden abschreckt. Denn wenn der Kunden sich beraten lässt, dann das Geschäft wieder verlässt und sich nach kurzer Zeit gegen einen Kauf überhaupt entscheidet, bekommt dies der Händler nicht mehr mit. Käufer, die sich noch unsicher sind, ob Sie ein Produkt kaufen wollen, werden vermutlich eher keine Beratungsgebühr in Kauf nehmen. Oder sich anderweitig umsehen und die Mitbewerber besuchen.

Letztendlich ist dann auch die Frage, ob die Beratung ihr Geld wert ist. So sehr positiv wird die Beratung ja insgesamt nicht bewertet. So wird man davon ausgehen können, dass sich nur Kunden auf die Beratungsgebühr einlassen werden, wenn sie wissen, dass die Beratung ihr Geld auch wert ist.

So pauschal betrachtet ist eine Beratung gegen Gebühr also eher ein großes Risiko. Die Kunden könnten zu Läden abwandern, für die Beratung ein wichtiger Teil der Überzeugung des Kunden ist oder eben Kunden endgültig zu Onlinekäufern werden lassen. Professor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein hat das mal so formuliert: „Eine pauschale Beratungsgebühr ist der letzte Nackenschlag, den der Handel sich selbst gibt.“

Fazit: Die Beratung machts!

Eine sehr gute Beratung ist ein gewichtiger Punkt, mit dem sich der lokale Einzelhandel auseinandersetzen sollte. Hier liegt eine gute Chance, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Onlinehandel (und dem lokalen Wettbewerb) zu behalten oder aufzubauen. Sich hier nicht zu engagieren beinhaltet die Gefahr, dass der Kunde es sich abgewöhnt, sich beraten zu lassen und sich nur noch über das Internet zu informieren. Dann wäre der Wettbewerbsvorteil ganz dahin.

Klar ist aber auch dass der lokale Einzelhandel insgesamt einiges tun muss. Die Studien zeigen, dass eine gute Beratung lange nicht selbstverständlich ist, obwohl der lokale Einzelhandel gebetsmühlenartig betont, diesen Vorteil zu haben. Die Kunden nehmen es anders wahr.

Die Angst vor dem Beratungsklau bzw. dem Showrooming ist den Zahlen nach nicht begründet. Und abgesehen davon ist das Thema ja auch nicht so neu: Schon immer hat es Kunden gegeben, die sich in mehreren Läden erst das Angebot ansehen, sich mit den Verkäufern unterhalten und dann letztendlich in einem der besuchten Läden das Produkt zu kaufen. Für viele Käufer macht das ja auch gerade den Reiz des „Shoppen-gehens“ und damit das Shoppingerlebnis aus.

Die Käufer informieren sich online und kaufen offline und umgekehrt. Das ist eben die „customer journey“, die Reise die ein Käufer macht: von der ersten Überlegung ein Produkt kaufen zu wollen bis hin zum endgültigen Kauf.

Die Studienergebnisse zeigen, dass der Kunden beraten werden will und dafür auch mehr Geld auszugeben bereit ist. Sie zeigen auch auf, dass die Beratung als unzureichend bewertet wird. Daher sollten sich lokale Händler verstärkt mit dem Kunden, seinem wirklichen Bedarf und der Customer Journey befassen. Beratung und guter Service ist dem Kunden wichtig. Aber die Kunden sind heute insgesamt informierter, haben sich ggf. bereits online informiert. Das setzt hohe Erwartungen an eine überzeugende Arbeit am Kunden und eine fachkundige Beratung. Diese muss der lokale Einzelhandel mit seinem Personal leisten können.

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