Der lokale Einzelhandel hat es nicht leicht. Der Onlinehandel setzt ihm zu, die Konkurrenz ist groß und der Preiskampf oft gnadenlos. Seit einigen Jahren sind auch in Deutschland Initiativen aktiv, die daran appellieren, dass der Konsument doch bitte bei lokalen Händlern einkaufen soll – oder freundlicher formuliert: die den Konsumenten für den Einkauf vor Ort sensibilisieren wollen. Ökologische Gründe, bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, höhere Lebens- und Einkaufsqualität, Stärkung der eigenen Gemeinde, weil das Geld in der Stadt bleibt und viele weitere Vorteile werden den Konsumenten und der lokalen Community versprochen.
Die Logik hinter der Argumentation der Wirtschaftsförderer, Händlervereinigungen und Werbegemeinschaften mag man vom Gefühl her nachvollziehen können, aber aus Ökonomie und Ökologie kommen überzeugende Argumente, dass das Ganze vielleicht doch nicht so einfach ist.
„Buy Local“-Kampagnen sind heute in Deutschland weit verbreitet. Die Argumente für lokales Einkaufen sind jeweils ähnlich, unterscheiden sich aber häufig darin, was lokales Einkaufen beinhaltet. Mal sind lokal produzierte Lebensmittel gemeint, mal der lokale Einzelhändler, der Produkte aus aller Welt anbietet, dies aber in einem inhabergeführten Laden. Die unklare Definition macht die Bewertung als auch die kritische Betrachtung nicht einfach.
Was versprechen die „Buy Local“-Kampagnen?
Die unterschiedlichen Kampagnen, die lokales Einkaufen empfehlen, versprechen jeweils ähnliches. Die ins Feld geführten Argumente lassen sich den folgenden sieben Bereichen zuordnen:
1. Besseren Kundenservice und eine vielfältige Produktauswahl nach dem Bedarf der lokalen Kunden: „Einkaufen bei Nachbarn und Freunden… Und wer kann sie besser beraten als jemand, der weiß, was Sie wünschen, weil er sie persönlich kennt, weil er dort lebt, wo sie leben.“ (Zitat heimat-shoppen.de)
2. Bessere Qualität bei Produkten und Angeboten: lokal hergestellte Produkte und vor allem Nahrungsmittel haben eine bessere Qualität.
3. Lokal einkaufen ist besser für die Umwelt: lange und umweltschädliche Warentransporte sind nicht mehr nötig. Ein Einkauf vor Ort bedeutet weniger Energieverbrauch und Umweltbelastung.
4. Lokales Einkaufen schafft und erhält gute Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region: lokale Unternehmen schaffen attraktivere Jobs mit höheren Gehältern und besseren Arbeitsbedingungen, weil sie unter Beobachtung der Community stehen.
5. Lokales Einkaufen fördert die lokale Ökonomie: Lokale Unternehmer geben ihr Geld auch eher lokal aus. Damit bleibt das Geld im lokalen Kreislauf und unter Freunden und Nachbarn. Unternehmensgewinne bleiben über Gewerbesteuern in der Region. Einzelhandelsketten dagegen ziehen Gewinne aus der Region zu ihren Hauptquartieren ab.
6. Lokales Einkaufen fördert Soziales und Kulturelles: Lokale Geschäfte unterstützen Veranstaltungen, Vereine und Initiativen.
7. Lokales Einkaufen fördert die Attraktivität und die Vielfalt der Region: attraktive Innenstädte mit vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie laden zum Verweilen und Aufhalten ein. Lokale Wirtschaft lädt ein zum Gestalten der eigenen Region und Zukunft. Eine solche Region schafft Identität. Lokales Einkaufen stärkt die lokale Community.
Und im Hintergrund stellt der Milchmann gerade die Milchflasche vor die Haustür…
Insgesamt wird mit „Buy Local“ Kampagnen gerne ein romantisiertes Bild vermittelt: der Konsument mit persönlichem Kontakt zum Produzenten und Händler. Diese können aufgrund ihres persönlichen Kontakts zu den Kunden eine bessere Beratung bieten und halten genau die Artikel vor
, die der Kunde gerade wünscht. Man kauft das Gemüse beim Bauern von nebenan, kennt die Art wie er seine Tiere hält, ob er sein Gemüse spritzt und man weiß, ob er ein netter Mensch ist. Auch unverantwortliches Handeln beim Produzenten wird dadurch geradezu ausgeschlossen, denn es ist ja Einkaufen bei „Nachbarn und Freunden“.Selbstverständlich mag das im Einzelfall bei einzelnen Händlern und Produzenten und bei einzelnen Beziehungen zu einzelnen Kunden durchaus zutreffen. Die Regel ist es jedoch nicht, wie persönliche Erfahrungen eines jeden belegen können. Repräsentative Studien zur Qualität der Kundenberatung belegen regelmäßig, dass der Einzelhandel seine Versprechen diesbezüglich nicht hält.
Daneben wird mit einigen Unterstellungen argumentiert, die gerne axiomatisch behauptet, aber nicht begründet werden:
- Konsumenten, die lokal kaufen, handeln ethisch.
- Kleine Unternehmen sind gut! Große Unternehmen sind schlecht!
- Kleine Unternehmen verlangen etwas höhere, aber faire Preise. Große Unternehmen sind billiger, machen aber vor allem hohe Gewinne.
- Es wird implizit der Eindruck erweckt, dass eine komplette lokale Versorgung möglich ist. Eigentlich gibt es keinerlei Argumente mehr, überhaupt woanders zu kaufen. Man erhält ja alles lokal, weil sich Händler und Produzenten auf den Bedarf der Kunden so gut einstellen können.
Im richtigen Leben stellt sich das jedoch weitaus komplizierter dar und vieles lässt sich bei kritischer Betrachtung nicht halten.
Was sagt die Ökonomie dazu?
Die Ökonomie lässt an diesen Argumenten begründete Zweifel aufkommen. Ökonomisch ist es sinnvoll, dass sich Produzenten spezialisieren und Skaleneffekte nutzen, um damit preiswerter zu produzieren, weniger Ressourcen verbrauchen und günstigere Güter herzustellen. Konsumenten können sich so mehr Güter leisten und erfahren so mehr Wohlstand.
Spezialisierung und Skaleneffekte
Süddeutschland bietet beispielsweise gute klimatische Bedingungen zum Anbau von Äpfeln und es ist sinnvoll, sich als Obstbauer auf den Anbau von Äpfeln zu spezialisieren. Für den Anbau von Bananen ist das Klima hingegen nicht geeignet. Wenn der Apfelbauer aus Süddeutschland nun sehr viele Apfelbäume bewirtschaftet und sich aufgrund der Menge maschineller Unterstützung bedient, profitiert er von Skaleneffekten. Er kann nicht nur aufgrund der klimatischen Bedingungen, sondern auch aufgrund der Größe seines Betriebs günstigere Äpfel produzieren. Größere Betriebe haben die Möglichkeit effizienter zu produzieren, müssen dann aber auch schauen, wem außer in der eigenen Region, sie ihre Produkte noch verkaufen können.
Handel zwischen den Regionen und Ländern
Im Handel zwischen den Regionen oder auch zwischen den Ländern der Welt entstehen so vielfältige Kostenvorteile, die sich über den Handel miteinander nutzen lassen. Man produziert Güter so effizient wie möglich und tauscht diese mit anderen, die in anderen Produktionszweigen effizienter sind.
Der Ökonom David Ricardo nannte dies die Theorie der komparativen Kostenvorteile. Diese Theorie ist heute ein starkes Argument für den freien Handel der Welt und gegen die nationale Abschottung einzelner Länder. Die gilt natürlich in gleicher Weise auch für eine regionale oder lokale Abschottung.
Bei der Theorie der komparativen Kostenvorteile kommt ein weiterer bedeutender Aspekt hinzu: es ist sinnvoll, auch mit anderen Handel zu treiben wenn diese in der Produktion eines Gutes weniger effizient sind als man selbst. Nehmen wir an, Sebastian Vettel ist einhundert mal besser im Anstreichen von Wänden als ich es bin. Trotzdem ist es besser, wenn Herr Vettel seine Zeit eher mit dem Sport verbringt und mir das Streichen von Wänden überlässt, denn damit wird er mehr Geld verdienen und es ermöglicht mir, ebenfalls etwas für meinen Lebensunterhalt zu tun. Es geht also ein Stück weit um Arbeitsteilung zu Gunsten des größtmöglichen Nutzens für alle Beteiligten.
In Deutschland profitieren wir von diesem Effekt, in dem wir hier beispielsweise gute Autos bauen und in alle Welt liefern und gleichzeitig Produkte importieren, die wir hier nur teurer herstellen können. In diesem Sinne ist „Buy Local“ der kleine Bruder von „America first“ des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Trump.
„Buy Local“ führt im Kleinen dazu, den freien Handel einzuschränken und auf die Kostenvorteile zu verzichten. Geld fließt von den effizienteren Produzenten zu den weniger effizienten. Die Konsumenten haben weniger Geld zur Verfügung, weil sie Produkte kaufen, die teurer sind, als sie sein müssten. So können sich alle insgesamt weniger Güter leisten.
Eine wirtschaftliche Betrachtung darf daher nicht nur allein auf den lokalen Verkäufer abzielen, sondern muss auch den Konsumenten als Wirtschaftssubjekt mit einbeziehen. Wenn es lokal bessere Angebote gibt, sind diese natürlich vorzuziehen. Es macht aber keinen Sinn, für eventuell sogar schlechtere Qualität mehr Geld auszugeben, nur weil es das Label „lokal“ trägt. So profitiert zwar der Verkäufer, nicht aber der Konsument, zu dessen Gunsten das lokale Einkaufen ja angeblich sein soll.
Was sagt die Ökologie dazu?
Auch aus ökologischer Sicht lohnt der differenzierte Blick. Chilenische Heidelbeeren, Spargel aus Übersee – das kaufen nur Umweltsünder! Aber die Umweltbelastung kann je nach Jahreszeit schwanken. Wer im April lieber Äpfel aus der Region kauft, kann unter Umständen einen größeren ökologischen Fußabdruck hinterlassen, als jemand der die Erdbeeren aus Südspanien kauft. Die Äpfel der Region müssen zwischen Ernte im Herbst des Vorjahres und Verkauf im April gekühlt gelagert werden. Der Treibhauseffekt durch die Kühlung ist aber in etwa so stark wie der der Erdbeeren mit einem langen Transportweg aus Spanien.
Oder Rinder und Schafe aus Argentinien und Neuseeland: Sie werden dort in riesigen Beständen und exakt den richtigen Biotopen gehalten. Sie benötigen weder Kraft- noch Kunstfutter und die Haltung auf Weideflächen ist weniger energieaufwändig als bei uns.
Oder als weiteres Beispiel haben Rosen, die in beheizten Gewächshäusern in Deutschland wachsen, einen bis zu sechs mal höheren ökologischen Fußabdruck als Rosen, die in optimalen Bedingungen in der Sonne Kenias gedeihen. Damit wird trotz des Transports um die halbe Welt die Energiebilanz deutlich günstiger als bei der lokalen Produktion.
Die Beispiele zeigen, dass selbst regionale Lebensmittel nicht automatisch die bessere Ökobilanz haben.
Aber die Kilometer…
Obwohl gerne auf Kilometer verwiesen wird, die dieses oder jenes Produkt zurücklegt, sind zurückgelegte Kilometer gerade kein sinnvoller Faktor zur Bemessung der Umweltbelastung. Die britischen Ökonomen David Coley und Michael Winter haben bereits 2012 festgestellt, dass es nicht sinnvoll ist, bei Produkten auf die so genannten „Food Miles“, also die Strecke, die ein Produkt vom Erzeuger zum Konsumenten zurücklegt, zu schauen.
Die Ökonomen stellten fest, dass die Food Miles in Bezug auf die Bewertung von Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein gerade einmal vier Prozent der Emissionen ausmachen, die ein Produkt im Laufe des gesamten Lebenszyklus produziert. Viel entscheidender für die Ökobilanz von Lebensmitteln ist die Art und Weise des Anbaus und somit Faktoren wie Wasserverbrauch, eingesetzter Dünger, Erntetechnik, Produktionsumgebung, Herkunft der Rohstoffe etc.
Hier wird dann auch schnell klar, warum Schafe aus Neuseeland, Rosen aus Kenia oder Erdbeeren aus Spanien einen geringeren ökologischen Fußabdruck haben können als lokale Produkte. Wenn Rosen wegen der Klimabedingungen in Kenia im Freien wachsen können, in Paderborn aber beheizte Gewächshäuser benötigen, wirkt sich dieser Teil des ökologischen Fußabdrucks eben stärker aus, als der geringe Beitrag des Transports einmal quer durch die Welt.
Das gilt gleichermaßen auch für Produkte außerhalb der Lebensmittelproduktion, wie zum Beispiel Handys oder Fernsehgeräte. Auch wenn diese in Deutschland gefertigt würden, müsste man konsequenterweise darauf schauen, wo die Rohstoffe und Teile für diese Geräte herkommen. Abgesehen davon, dass viele benötigte Rohstoffe lokal überhaupt nicht verfügbar sind, ist es auch ökologisch nicht sinnvoll, auf die ökonomischen Vorteile einer Massenproduktion zu verzichten. Im Rahmen globaler Lieferketten und internationaler Arbeitsteilung profitieren insgesamt mehr Menschen von dieser Produktionsweise – auch wenn die Produkte und ihre Zwischenprodukte weltweit transportiert werden müssen.
Und der Transportweg vom Händler zum Konsumenten nach Hause?
Wenn man nun auf den Transportweg vom Händler zum Konsumenten nach Hause abzielt, ist dieser natürlich kürzer als vom Produzenten zum Kunden nach Hause. Nun ist es aber auch nicht realistisch, dass sich kleine lokale Händler Produkte in hohen Stückzahlen auf Lager legen, um die Transportkosten zu minimieren und nicht täglich beliefert werden zu müssen.
Realität ist eher, dass die Waren in kleinen Stückzahlen per Paketdienst geordert werden und sich damit die Transporte auf viele kleine Transporte aufteilen. Die kurzen Innovations- und Produktlebenszyklen vieler Produkte erfordern dies geradezu. Die Branche der Paketdienste spricht von der „Atomisierung von Lieferungen“ und davon, dass rund die Hälfte aller Sendungen im B2B-Bereich angesiedelt sind. Das sind dann auch die Warenlieferungen an die kleinen lokalen Händler per Paket. Ob wir also die Produkte online bestellen und per Paketdienst nach Hause geliefert bekommen oder ob wir sie beim lokalen Händler kaufen, der sie sich vorher einzeln hat per Paketdienst schicken lassen, dürfte sich ökologisch betrachtet vermutlich nicht wirklich auswirken.
Hier könnte man ganz im Gegenteil auf die Idee kommen, ob es nicht ökologischer wäre, die Waren vom Produzenten direkt an den Konsumenten auszuliefern als diese beim Händler noch mal zwischen zu lagern, ggf. aus- und wieder zu verpacken. Oder besser alles beim Discounter kaufen? Dieser bekommt seine Lieferungen nicht kleinteilig sondern lastzugweise aus Verteilzentren zugestellt. Wenn der Kunde seinen gesamten Bedarf dort decken könnte, hat auch er nur einen Transportweg für seinen gesamten Bedarf – im Vergleich zur lokalen Versorgung, wenn er – am besten mit dem dicken SUV – verschiedene lokale Bauernhöfe anfahren muss, um seinen Bedarf an lokalen Eiern, Milch und Kartoffeln an verschiedenen Orten zu decken. Wenn man also die Transportkosten heranzieht, müsste man eigentlich zu ganz anderen Schlussfolgerungen kommen.
Verzicht als Option?
Vielleicht wäre aus Umweltsicht ein „Buy Nothing-Day“ das Richtige? Vermutlich auch nicht, denn die Käufe würden nur verschoben werden auf die Tage davor oder danach.
Wollte man sich ökologisch sinnvoll von lokalen Lebensmitteln ernähren, müsste man sich konsequenterweise an den in der eigenen Region angebauten Nahrungsmitteln und den jeweiligen Erntezeiten orientieren. Bananen und Orangen gäbe es dann keine, Äpfel, Zwiebeln und Kartoffeln nur zu bestimmten Jahreszeiten. Sicherlich wäre so etwas möglich, bedeutet aber den Verzicht auf viele Güter, die die Konsumenten heute gewöhnt sind. Ob das eine Mehrheit von Konsumenten tatsächlich möchte, ist sicherlich fraglich.
Aus ökonomischer und ökologischer Perspektive: Zweifel
Die ökonomische und die ökologische Perspektive lassen also Zweifel an der Argumentation der „Buy Local“-Kampagnen aufkommen. In der Pauschalität stimmen die Argumente wie aufgezeigt nicht – im Einzelfall können sie aber ihre Berechtigung haben. Letzteres zeigen ja auch die großen Lebensmittelketten und Discounter, die mehr und mehr lokal produzierte Lebensmittel anbieten.
Aber es wird noch komplizierter: Generell wird es für die Betrachtung notwendig sein, einmal den Food vom Non-Food-Bereich zu unterscheiden und zum anderen zu unterscheiden, ob Güter lokal produziert oder nur lokal verkauft werden. Bei einzelnen Nahrungsmitteln, die lokal produziert und verkauft werden, machen manche Argumente mehr Sinn. Bei Produkten die aus der Produktion in entfernten Ländern kommen und in lokalen Geschäften nur verkauft werden, wird man die Argumente der „Buy Local“-Befürworter noch viel kritischer sehen müssen.
In der Argumentation werden die Bereiche munter miteinander vermischt, so dass eventuelle Vorteile aus einer lokalen Produktion einzelner Güter automatisch auch dem lokalen Verkauf aller möglichen Produkte zugeschrieben werden. Hier gehen aber viele Argumente bei kritischer Betrachtung nicht auf.
Zweifel auch an anderen Argumenten
Zweifel sind auch an den anderen Argumenten angebracht: Man erhält nicht zwangsläufig, nur weil ein Geschäft in der lokalen Fußgängerzone angesiedelt ist, einen besseren Kundenservice. Auch die Produkte müssen nicht, weil sie lokal produziert werden, unbedingt von höherer Qualität sein. Beides ist abhängig von jedem einzelnen Geschäft, seinem Betreiber, seinen Bezugsquellen und natürlich von der Qualität der bezogenen Waren. Gleichwohl ist es natürlich richtig, mit guter Beratung und guter Qualität zu werben, wenn dies jeweils erfüllt ist.
„Buy Local“-Kampagnen werben damit, dass die Arbeitsplätze in den lokalen Geschäften gute Arbeits- und Ausbildungsplätze mit attraktiven Arbeitsbedingungen schaffen. Das kann, muss aber nicht sein. In Studien gaben kleine Händler an, dass gute Löhne für sie eine große Herausforderung sind und sie sich nicht leisten können. Größere Unternehmen unterliegen dagegen oftmals Tarifverträgen, die zu angemessenen Löhnen zwingen und haben in der Regel auch die finanziellen Ressourcen gute Löhne zu bezahlen.
Die allgemeinen Arbeitsbedingungen dürften davon abhängig sein, wie die individuelle Situation in den einzelnen Geschäften aussieht. Es ist nicht erkennbar, dass die Arbeitsbedingungen in Geschäften von „Buy Local“-Kampagnen, qua Zugehörigkeit zur Kampagne, besser sind als in anderen Geschäften. Englischsprachige Studien stellten sogar fest, dass in wirtschaftlich schwierigen Phasen lokale inhabergeführte Unternehmen eher Beschäftigung abbauen als Unternehmen, die nicht inhabergeführt sind.
Zweifel sind auch für das Argument angebracht, dass lokales Einkaufen die lokale Ökonomie fördert, da lokale Unternehmer ihr Geld wieder lokal ausgeben und das Geld somit im lokalen Kreislauf bleibt. Das ist eine Behauptung, deren Nachweis gar nicht möglich ist, weil es keine Methoden gibt, zu messen, wie die Geldströme lokal konkret verlaufen. Es gibt ein paar englischsprachige Studien, die sich mit der Frage auseinander setzen. Studien, die von „Buy Local“-Initiativen beauftragt wurden, bestätigen, dass lokale Einzelhändler ihr Geld auch wieder lokal ausgeben. Unabhängige Studien dazu, sehen diese Zusammenhänge nicht.
Sicherlich richtig ist, dass attraktive Innenstädte mit vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie die Attraktivität und Vielfalt einer Region befördern und gut für die Identität der Kommune oder der Region sind. Ein solches Angebot wird von den Bürgern und Konsumenten dann angenommen werden, wenn die Versprechungen jeweils erfüllt werden.
Insofern sind die Argumente zwar nett und man möchte sie gerne glauben, aber die Realität ist doch komplexer und oft eine andere. Nicht weil Geschäfte lokal angesiedelt sind, treffen die Argumente zu, sondern weil Geschäfte in einer bestimmten Art und Weise aufgestellt sind, ist es gut, dort zu kaufen und nicht woanders.
Ein erstes Fazit
Die pauschale Begründung von „Buy Local“ ist falsch. Es wird mit ökonomischen und ökologischen Argumenten hantiert, die einer kritischen und fundierten Betrachtung in der Pauschalität (Alles was lokal ist, ist gut!) nicht standhalten.
Aber: Kunden kaufen gerne lokal
Und was sagen die Kunden? Kunden mögen „Buy Local“-Kampagnen und kaufen gerne lokal. Das bestätigen Studien hierzulande und weltweit. Danach befragt, ziehen viele es vor, lokales Obst und Gemüse zu kaufen und finden es gut, lokale Geschäfte zu unterstützen.
Das dürfte u.a. mit der Bindung an die Region zusammen hängen. Eine repräsentative Allensbach-Studie stellte fest, dass trotz Globalisierung, Digitalisierung und zunehmender Mobilität 93 Prozent der Bevölkerung gerne in der Region leben, in der sie wohnen. 81 Prozent fühlen sich ihrer Region stark verbunden und weitere 16 Prozent haben immerhin noch eine mittlere Bildung an ihren Wohnort.
Zum lokalen Konsum befragt, gaben 95 Prozent an, Lebensmittel „hier am Ort oder in der näheren Umgebung“ einzukaufen, ebenso zum Arzt gehen (89%), in die Apotheke gehen (89%) oder „andere Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen“ (82%). Elektrogeräte als Gegenbeispiel werden jedoch nur von 42 Prozent der Befragten lokal gekauft.
Spannend wäre es nun, zu erfahren ob die Argumente für lokales Einkaufen den Konsumenten überzeugen. Oder ist es pragmatischerweise so, dass gerade Dinge des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel „heimatnah“ eingekauft werden, weil man das eben regelmäßig machen muss und vielleicht auch mal auf die Schnelle noch etwas benötigt. Hohe Zustimmungsraten zu einem lokalen Einkauf könnten auch darin begründet sein. Dann hätte ein lokaler Verkäufer von Elektrogeräten weniger Vorteile von dem Wunsch lokal einzukaufen, ein Verkäufer von Obst und Gemüse aber sehr wohl.
Lokal produzierte Lebensmittel haben für Deutsche eine hohe Bedeutung. 32 Prozent der in einer Studie befragten gab an, dass für sie der Kauf regionaler Nahrungsmittel „sehr wichtig“ ist. 70 Prozent der Befragten gaben, dass sie „mehrmals im Monat“ Nahrungsmittel aus ihrer Region kaufen. Sie schätzen die lokal hergestellten Nahrungsmittel, weil sie frisch und knackig sind und einen gesunden Eindruck machen. Auch zu wissen, wo die Waren herkommen, wie sie produziert und verarbeitet werden, ist für Kunden ein gutes Argument.
Ein zweites Fazit
Als zweites Fazit kann man festhalten, dass „Buy Local“ für Kunden eine Rolle spielt. Das hat stark mit der persönlichen Bindung an die Region und den Wohnort zu tun. In Bezug auf lokal hergestellte Lebensmittel spielt die (vermeintlich) höhere Frische und Qualität eine große Rolle.
Generell macht „Buy Local“ immer dann Sinn, wenn die Produkte, Services, das Kauferlebnis besser und werthaltiger sind als bei der Konkurrenz. Auch das Gefühl, lokale Produzenten und Händler zu unterstützen oder damit etwas Gutes zu tun, kann zu einer höheren Zufriedenheit bei den Käufern führen. Ggf. kostet diese höhere Zufriedenheit mit den Waren eben einen Aufpreis und die Kunden müssen bereit sein, diesen zu bezahlen.
Insofern kann für die lokale Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel „Buy Local“ ein gutes Verkaufsargument sein. Insgesamt und verallgemeinert wird man die Argumentation aber überprüfen müssen und vor allem sicherstellen, dass die Qualität der Produkte und der angebotenen Services gut sind, die Waren ihren Preis wert sind und somit ein werthaltiges Gesamtangebot entsteht.
„Buy Local“ ist vor allem Marketing
Letztendlich ist „Buy Local“ einfach eine Marketingkampagne, die den Wunsch nach Lokalität aufgreift und zu bedienen versucht. Dabei wird den Kunden ein Qualitätsversprechen gegeben, welches erfüllt wird oder eben nicht. Wird es nicht erfüllt, verpufft die Kampagne und schlägt im Extremfall sogar ins Gegenteil um. „Buy Local“-Kampagnen versprechen viel, was sich objektiv betrachtet in vielen Bereichen nicht halten lässt. Die wenigen aussagekräftigen Evaluationsversuche unterstreichen das zusätzlich. Wenn man „Buy Local“-Kampagnen betreibt, sollten die Kundenversprechen auch eingehalten werden! (Manche der Versprechungen müssen daher auf den Prüfstand!!)
Sollte man wirklich mit „Buy Local“ werben?
Schadet eine „Buy Local“-Kampagne? Im Marketing wird seit jeher auch mit überzogenen Versprechungen ohne wirkliche Aussagekraft gearbeitet, wie beispielsweise der Slogan „Weißer als Weiß“. „Buy Local“-Kampagnen hantieren aber mit harten Argumenten, die sich bei kritischer Betrachtung nicht halten lassen. Hier muss man sich die Frage stellen, ob daraus nicht auch ein Vertrauensverlust aufgrund von nicht gehaltenen Versprechungen eintreten kann und die Kampagne eher schadet als hilft.
Ein weiteres und durch Studien nachgewiesenes Problem ist, dass sich Einzelhändler durch die Kampagne davon abhalten lassen, die für sie eigentlich viel wichtigeren Themen anzugehen. Englischsprachige Studien belegen, dass die Unterstützung lokaler Geschäfte durch „Buy Local“-Kampagnen auf Kosten einer mittelfristigen Wettbewerbsfähigkeit dieser Geschäfte geht. Das Versprechen der Kampagnen-Initiatoren, dass der Verweis auf Lokalität die Verkäufe ankurbeln wird, lädt offenbar zum Ausruhen in anderen relevanten Feldern ein.
Zudem zeugen „Buy Local“-Kampagnen nicht gerade vom Vertrauen der lokalen Wirtschaft in ihre eigene Kraft. Es hat ein bisschen was von Mitleid erregen, wenn Aufrufe kommen, doch lokal zu kaufen, weil es den Geschäften sonst so schlecht geht. Natürlich profitiert der lokale Händler wenn der Kunde lokal kauft. Das tut er vielleicht mal während einer solchen Kampagne aber eben nicht nachhaltig und dauerhaft, wenn das Angebot nicht werthaltig genug ist. Wichtiger ist also das werthaltige Angebot!
Und: Trotz einiger Jahre „Buy Local“-Kampagnen haben sich Innenstädte oder lokale Geschäfte bisher nicht allgemein als DAS Einkaufseldorado etablieren können. Insofern sind die Kampagnen einen nachhaltiger Erfolg bisher schuldig geblieben. Meine Überzeugung ist, dass es viel wichtiger wäre, daran zu arbeiten wie sich der Einzelhandel nachhaltig aufstellen kann, anstatt nur eine weitere Marketingkampagne zu betreiben.
Und wäre es für den einzelnen Händler nicht eigentlich wirtschaftlich sinnvoller, wenn er daran arbeitet, zum Beispiel durch das Internet besondere lokale Produkte weltweit zu verkaufen. Das würde ihm mehr helfen, als lokal seine Produkte zu verkaufen, die man auf der ganzen Welt in der gleichen Qualität erhalten kann. Auch diese Idee ist nicht neu und viele Erzeuger sowie einige Startups gehen diesen Weg.
Lieber mit werthaltigem, besonderen Angebot werben
Der Einzelhandel muss sich mit seinem Angebot auf die veränderten Kundenwünsche und -anforderungen einstellen, braucht gute, außergewöhnliche, möglichst individualisierte Produkte, guten Service, gute Beratung und muss ein ein attraktives Kauferlebnis bieten. Frische Produkte, Bekannte auf dem Wochenmarkt (oder im Discounter) treffen, beim örtlichen Metzger Zubereitungstipps erhalten, eine Besichtigung der Produktion in der örtlichen Bäckerei und andere Aktionen schaffen Vertrauen und vor allem Erlebnis. Dann klappts auch mit dem Verkaufen. Lokal produzierte Produkte können das Angebot sehr gut ergänzen und bedienen den Wunsch der Kunden nach Lokalität.
Ein so aufgestellter Einzelhandel zieht schon immer Kunden an
, auch unabhängig von „Buy Local“- oder sonstigen Kampagnen. In diesem Sinne ist „Buy Local“ ein Ablenkungsmanöver, welches nur Zeit kostet, die für den tatsächlichen Wandel gebraucht wird und diesen weiter verzögert.Und wenn man schon eine Werbekampagne starten will, wie wäre es dann mit tatsächlichen Wertversprechen zu argumentieren? Beratung, Service und hohe Qualität? Wenn dieses versprechen gehalten werden soll, wird das schwieriger, als mit dem wolkigen Versprechen „kauft lokal, dann wird alles gut“. Aber es ist ehrlicher und nachhaltiger.
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