Stellen Sie sich vor, Sie planen einen Transformationsprozess in Ihrer Kommune, einen Veränderungsprozess in der Stadtverwaltung oder einem Verein und Sie haben ein Instrument, mit dem die Menschen, die am Prozess beteiligt sind und die von ihm betroffen sind, Wetten auf den Erfolg des Prozesses abschließen könnten. Je nachdem, wie die Wetten stehen, könnten Sie ablesen, wie gut Sie mit dem Prozess vorankommen, wie die betroffenen Menschen die Situation einschätzen etc. Wäre das nicht ein hilfreiches Instrument?
Prognosebörsen im Change Management sind ein solches Instrument. Sie werden in Organisationen eingesetzt, um die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Ereignissen, den Erfolg oder den Ausgang von Veränderungsprozessen zu prognostizieren. Sie nutzen das kollektive Wissen der beteiligten Menschen, die ihre Einschätzungen in Form einer Wette, eines „Aktienkurses“ oder eben einer Prognose abzugeben. Über die Einschätzungen der vielen können fundierte Vorhersagen über die Zukunft getroffen werden. Diese können für die Planung und Steuerung der Veränderungsprozesse von hohem Nutzen sein.
Die Ideen zu Prognosebörsen kommen aus den Prediction Markets (Prognosemärkten), die in der Wirtschaft, Politik und Technologie helfen, genauere Vorhersagen über künftige Ereignisse zu treffen. Die Effekte kann man sich für das Change Management nutzbar machen.
In der Öffentlichkeit kennt man Prognosebörsen ebenfalls, wenn auch hier nicht von Prognosebörsen gesprochen wird. Beispiele sind die englischen Wettbüros, die Wetten auf den Ausgang von Wahlen, wer wen wann im britischen Königshaus heiratet, welches Geschlecht das nächste Kind des Thronfolgers haben wird und in welcher Monatshälfte es geboren werden wird, wann die aktuelle Regierung stürzt oder sonstiges zulassen. Auch die Wetten der US-amerikanischen Investmentbanker zum Ausgang von Wahlen in den Vereinigten Staaten werden gerne öffentlich für Vorhersagen herangezogen und liegen oft genug richtig mit ihren Erkenntnissen. Die Intelligenz der vielen oder eben sehr spezialisierter und wissender Beobachter des Geschehens werden für die Prognosen herangezogen.
Wie funktionieren Prognosebörsen im Change Management?
Je nach dem, wie Prognosebörsen angelegt werden, funktionieren sie wie ein Wettbüro oder eine Börse. Im „Wettbüro“ der Prognosebörse können mit fiktivem Geld Wetten oder auf ein vorgegebenes Ereignis gesetzt werden oder aber eigene Vorhersagen mit bestimmten Kriterien eingesammelt werden. Zum Beispiel „Die Baumaßnahme im Stadtgebiet verzögert sich um eine bestimmte Anzahl von Wochen und wird um eine bestimmte Prozentzahl teurer. Es gewinnt derjenige, der mit der ältesten Prognose am am nächsten am Ergebnis war.
Als Börse funktionieren Prognosebörsen ähnlich wie Finanzmärkte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzen virtuelle Wetten oder auf bestimmte Ereignisse oder Ergebnisse , z. B. den Erfolg eines Change-Management-Projekts, den Abschluss eines Meilensteins oder den Widerstand gegen Veränderungen in einer Organisation. Das kann auch in Form eines „Aktienkurses“ geschehen, der sich gemäß der „Kauf- und Verkaufskurse“ aus dem laufenden Tag (oder Zeitraum) ergibt.
Prognosebörsen nutzen die Weisheit der Vielen. Dabei ist es (fast) unerheblich, ob die Vielen selbst Experten sind. Die Weisheit der Vielen ist ein interessantes Phänomen welches James Surowiecki entdekct hat und in „The Wisdom of Crowds“ (2004) beschrieben hat. Demnach sind Gruppen als Gesamtheit oft intelligenter, als die klügsten Einzelnen der selben Gruppe. Das gilt interessanterweise auch, wenn in der Gruppe nicht nur überdurchschnittlich intelligente oder fachkundigen Einzelne sind.
Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des zu bewertenden Ereignisses drückt die Kollektivmeinung als Marktpreis aus. Ein höherer Preis bedeutete eine höhere Wahrscheinlichkeit für den Erfolg oder das Eintreten des Ereignisses.
Die von dem jeweiligen Ereignis betroffenen Menschen, also Mitarbeiter, Bürgerinnen, Führungskräfte, Politikerinnen, Fachleute aus der Verwaltung, fachkundige Bürger, externe Experten etc. treffen Vorhersagen und „handeln“ auf der Plattform. Je mehr „Wissende“ mitmachen, umso genauer werden die Vorhersagen.
Am aktuellen „Kurs“ können die Prozessverantwortlichen ablesen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg oder eine Zielerreichung ist. Prognosebörsen können helfen, Probleme, Risiken oder Hindernisse frühzeitig zu identifizieren. Aufgrund der Vorhersagen können die Verantwortlichen gegensteuern, den Prozess verändern, die Kommunikation zu verbessern etc.
Warum helfen Prognosebörsen bei Transformationsprozessen?
1. Prognosen zu bestimmten Themen werden präziser
In komplexen Prozesse ist es oft schwierig, zu erkennen, wo man genau steht und welche Auswirkungen bestimmte Aktionen auf den Erfolg eines Vorhabens haben. Durch die Nutzung der kollektiven Intelligenz der Beteiligten können Risiken, Herausforderungen und Erfolgsaussichten identifiziert werden.
2. Frühzeitige Identifikation von Problemen
Durch die kontinuierliche Beobachtung des aktuellen Standes sowie des Verlaufs können Probleme oder Widerstände frühzeitig erkannt werden.
3. Einbindung der Mitarbeiter
Mit Prognosebörsen können viele Betroffene aktiv an der Planung und Einschätzung von Veränderungen mitwirken. Das ist gut für das Engagement und die Akzeptanz für die Veränderungsprozesse. Betroffene haben so die Möglichkeit, ihre Einschätzungen zu teilen und damit die Entscheidungsträger zu unterstützen.
4. Stärkung des Vertrauens in den Prozess
Wenn Prognosen auf der Basis einer breiten Beteiligung der Betroffenen entstehen, wird die Veränderungsprozess transparenter und stärker als demokratisch und verlässlich wahrgenommen.
5. Dynamische Anpassung von Change-Management-Strategien
Wenn die Prognosen frühzeitig darauf hinweisen, dass ein bestimmtes Ziel möglicherweise nicht erreicht wird, können Anpassungen vorgenommen werden, um den Erfolg zu sichern.
6. Datenbasierte Entscheidungen
Prognosebörsen liefern quantitative Daten, die für strategische Entscheidungen genutzt werden können.
Wo entstehen besonderen Herausforderungen durch die Nutzung von Prognosebörsen?
Prognosebörsen sind ein Instrument, mit dem sich die Beteiligten zunächst vertraut machen müssen. Widerstand und Skepsis könnten entstehen, vor allem dann wenn das Instrument als unorthodoxe Methode wahrgenommen wird. Zudem könnten Ergebnisse verzerrt werden, wenn die Beteiligten nicht ehrlich ihre Einschätzungen teilen oder nur über unzureichende Informationen verfügen. Zudem entstehen zu Beginn Kosten und ggf, auch komplexe technische Herausforderungen zur Umsetzung der Plattform für die Prognosebörse.
Fazit
Alles in Allem bieten Prognosebörsen eine innivative Möglichkeit, die Erfolgsaussichten und Herausforderungen eines Transformationsprozesses zu bewerten. Durch die Nutzung der kollektiven Intelligenz der Beteiligten und Betroffenen stellen sie eine gute und wertvolle Ergänzung zu traditionellen Methoden der Veränderungssteuerung dar.
Voraussetzung ist eine gute Anpassung des Instruments für das jeweilige Umfeld. Wenn die Methode gut implementiert wird und das Vertrauen der Teilnehmer gewonnen werden kann, bieten Prognosebörsen eine proaktive Möglichkeit, Risiken frühzeitig zu erkennen und Entscheidungen dynamisch anzupassen.
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