Die meisten Kommunen treibt das Thema Innenstadt um und vielerorts wird immer wieder neues versucht und auch viel Geld dafür ausgegeben. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg.
Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Globalisierung, weltweite Warenströme, Güter, die heute im Grunde fast nichts mehr kosten, das (mobile) Internet und die Digitalisierung haben auch im Handel massive Spuren hinterlassen.
Wenn man nun die Innenstadtproblematik angehen will, muss man verstehen, wie sich die Entwicklungen der Welt auf den Handel insgesamt und den lokalen Einzelhandel in den Innenstädten im Speziellen ausgewirkt haben. Nur dann kann man Maßnahmen daraus ableiten, die Situation in den Innenstädten zu verbessern. Sonst ist es eher ein Stochern im Nebel und man erreicht zu wenig.
Die Welt verändert sich und mit ihr der Handel
Um die Frage nach dem Handel in der Innenstadt beantworten zu können, muss man sich damit befassen, wie sich die Welt gerade verändert und in der Vergangenheit verändert hat.
Innenstadt als Marktplatz der Stadt
Früher sind die Innenstädte als Stadtkerne insbesondere durch den Handel entstanden. Es entstanden Marktplätze, Zentren an denen sich Einzelhändler nieder gelassen haben und in diesen „Einkaufszentren“ haben die Bürgerinnen und Bürger eingekauft. Das Angebot richtete sich vor allem an die Menschen, die in der Stadt selbst wohnten.
Es gab ein Elektrogeschäft und wenn man einen Toaster brauchte, ging man dort hin, hatte, mit ein wenig Glück, die Auswahl aus zwei verschiedenen Modellen und wählte davon einen. Im Nachbargeschäft gab es Kleidung und auch dort kaufte man das, was man dort passendes fand.
Neue Möglichkeiten des Einkaufs
Mit der Zeit gab es dann Alternativen. Die Einkaufszentren, Discounter und Großmärkte entstanden mit größerem Angebot, mehr Auswahl an unterschiedlichen Geschäften und vor allem mehr Auswahl an Waren. Und weniger Personal. Selbstbedienung war angesagt. Da konnte der Einzelhandel in der Innenstadt nicht mehr mithalten. Es fehlte ihm am notwendigen Platz und an der Erreichbarkeit mit dem Auto. Käufer wanderten ab zu den anderen Einkaufsmöglichkeiten und kauften woanders. Dort war die Auswahl viel größer. Der Händler in der Innenstadt musste mit den höheren Personalkosten und dem kleineren Angebot klarkommen.
Auch die wachsende Mobilität der Kunden spielt hier rein. Die Menschen waren mobiler und konnten auch größere Strecken zurücklegen
, wenn sie ein bestimmtes Geschäft aufsuchen wollten. Und die Einkaufszentren, Discounter und Großmärkte boten jede Menge Parkplätze.Die Globalisierung wirkt
Als nächster Einschnitt wurden die Waren preiswerter. Die Globalisierung und die weltweite Arbeitsteilung ermöglichte es, die Waren für viel weniger Geld zu produzieren. Damit wurden die Waren auch für die Konsumenten billiger. Die kleinen Ladengeschäfte aber mussten nun an weniger Kunden, preiswertere Produkte verkaufen und hatten damit zunehmend Schwierigkeiten, die hohen Kosten für Personal, Miete und anderes über die Waren umzulegen. Die Kunden aus der eigenen Stadt kauften im Einkaufszentrum auf der grünen Wiese und die mobilen Käufer von außerhalb verirrten sich auch nicht mehr in die Innenstädte. Zu wenig Auswahl und keine Parkplätze.
Der Onlinehandel wirft alles über den Haufen
Dann kam der Onlinehandel. Die Menschen brauchten ihr Heim gar nicht mehr zu verlassen und haben mit dem Onlinehandel, wie beim Strom, Wasser und Gas, quasi eine direkte Warenleitung für Güter aller Art in ihr Haus. Für den Käufer hat das vieles vereinfacht. Für die lokalen Händler nicht.
Die Konkurrenz wuchs. Gefüttert mit Geld von Investoren, denen es nicht um Gewinne oder Cashflow ging, sondern ausschließlich um Marktanteile, wuchs der Onlinehandel rasch. Es war einfach, online zu verkaufen. Man brauchte nicht viel, die digitalen Werkzeuge dafür gibt es umsonst oder für wenig Geld. Man brauchte um einen Onlinehandel zu eröffnen kaum Geld. Ein bisschen Knowhow, eine gute Idee und ein paar Euro für einen Server reichen aus und wenn die Idee läuft, gehts mit Investorengeld und viel Marketing weiter.
Elektronische Marktplätze
Aus Onlinehändlern wurden elektronische Marktplätze, denn warum sollte Amazon nur Bücher verkaufen und nicht seinen Kunden auch andere Waren anbieten. Sie waren doch schon auf der eigenen Webseite und kaufwillig. So entstanden Amazon, Zalando und viele mehr, die heute nicht nur selbst verkaufen, sondern auch andere Händler auf ihre Plattform lassen. Plattformökonomie nennt man das heute.
Manche der stationären Einzelhändler haben die Chance für sich entdeckt und betreiben inzwischen eigene Onlineshops oder verkaufen über die großen Marktplätze. Warum auch nicht, denn da waren kaufwillige Kunden, denen man sein Angebot machen konnte.
Im ersten Corona-Shutdown haben viele weitere Einzelhändler die Gelegenheit genutzt und verkaufen nun auch online als weiteren Verkaufskanal.
Chancen für den stationären Handel
Insofern liegen im Onlinehandel viele Chancen für den stationären Handel, den dieser sicherlich in Zukunft mehr und mehr nutzen wird. Denn sie können genauso mit wenigen Ressourcen wie die Startups viel erreichen. Dazu gehört etwas Beweglichkeit im Denken, Neugierde und Lernfähigkeit – und vielleicht irgendwann kein Ladengeschäft mehr! Was soll der Einzelhändler dann noch in der Innenstadt, wenn er dort nichts mehr verkauft? Wozu noch in der Innenstadt die teure Ladenmiete bezahlen?
Was bedeutet das nun für die Kommune?
Damit verändert sich für diejenigen, die sich aus städtischer Sicht mit dem Thema Innenstadt beschäftigen, die Perspektive. Vielleicht kommt irgendwann eine Zeit, in der nicht mehr der Einzelhändler darauf angewiesen sein wird, dass die Stadt ihm hilft, Kunden in die Innenstadt zu schaffen. Vielleicht wird es irgendwann so sein, dass Einzelhändler (und Gastronomen und andere) sogar dafür bezahlt werden, dass sie den Menschen in der Innenstadt Kurzweil bieten.
Ob das so kommen wird, werden wir sehen. Fakt ist aber, dass sich lokal tätiger Einzelhandel dort ansiedelt, wo genügend Kaufinteressenten zusammen kommen. Und Fakt ist auch, dass Einzelhandel (und damit Einkaufsmöglichkeiten) sowie Gastronomie zu einer attraktiven Innenstadt dazu gehören.
Insgesamt sind die Bemühungen um die Innenstadt noch zu sehr von dem Bild vom Marktplatz für die Stadt getragen. Dies geht aber an dem Bedarf der Bürgerinnen und Bürger vorbei. Einkaufen im Sinne von „Versorgen mit Waren“ kann man sich heute online oder auch mit großen Märkten einfacher erledigen. Für das „Shoppen“ hingegen wird immer auch lokaler Einzelhandel eine Rolle spielen. Doch auf dem Feld sind auch andere Player unterwegs, wie beispielsweise die Betreiber von Einkaufszentren etc. Mit diesen Profis steht die Politik dann im Wettbewerb um Ideen und Aktivitäten.
Wichtig wird sein, zu verstehen, was sich verändert hat und die Perspektive von der Innenstadt als Warenmarktplatz aufzugeben. Die Innenstadt als Kommunikationsort, als Ort, wo man Leute trifft, als „Bühne“, wo man gesehen wird und selber sehen kann, wo man Musik und Kunst erleben kann, Neues erleben und lernen kann etc. hat eine Zukunft. Es geht also darum, die Innenstadt als „Dritten Ort“ neben Arbeit und Wohnen zu sehen und zu entwickeln. Und dort wiederum ist dann auch Platz für den Einzelhandel.
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